„Manala“

Feierliche Stimm- und Körperarbeit im Kreis von Nigar Hasib

Eine der wichtigsten Stimm- Körperübungen des Lalish Theaterlabors, in welcher der Kreis eine wichtige Rolle spielt, ist für meine Arbeit von besonderem Interesse, nämlich die Stimm-Körperübung mit folgenden Lauten und Silben:
Manala Monolo Munulu Menele Minili; eine kollektive feierliche Stimm- Körperübung des Lalish Theaterlabors, in 1998 entwickelt und geleitet von Nigar Hasib. Diese Stimm-Körper Übung gleicht eher einer Aktion als einer abstrakten Übung. 

Das Lalish Theaterlabor  wurde 1998 in Wien gegründet, im Juni 2000 erfolgte die Eröffnung eines eigenen Zentrums (Theaterraum, Kreistheater), ein Ort zur Entwicklung und Erprobung eigener Arbeitsmethoden im Bereich der experimentellen Erforschung der Stimme und des Körpers.
Da die Performances des Lalish Theaterlabors in einem Kreis durchgeführt werden, werden von Beginn an alle Vorbereitungsphasen, Trainings und Proben, auch in einem Kreis vollzogen. Sogar die offenen Labors und Workshops des Lalish Theaterlabors werden in einem Kreis abgehalten, ganz gleich ob im eigenen Theater oder in anderen Räumen.
Auch die Übung „Manala“ wird im Kreis vollzogen, die TeilnehmerInnen sitzen neben einander auf dem Boden im so genannten Türkensitz (Schneidersitz), Knie zu Knie, beide Arme weit zur Seite geöffnet, jede/r legt die Hand auf das Knie seiner/s Nächsten, es entsteht eine im Kreis fließende Energiewelle. (Siehe Bild 1)

Bild 1
Das legen der Hände auf die Knie der Person nebenan dient der Zusammenführung und -Haltung der Energien der Teilnehmer, sowie dem gegenseitigen Fühlen der Töne und des Rhythmus, die durch den Körper strömen. Dabei müssen die Augen offen bleiben, denn hier geht es nicht um eine individuelle therapeutische Übung, sondern um eine bewusste kollektive Übung. Die Töne werden nicht nur durch das Ohr, sondern vielmehr durch das Auge wahrgenommen.

Die Übung beginnt mit einem einfach lang gesungenen M, leitet dann zu A über und kehrt wieder zurück zu M. Dann kommen die Silben „Manala, Monolo, Munulu, Menele, Minili“ dazu. Anfangs werden diese langsam und leise zwei Mal in einer bestimmten Melodie gesungen, dann werden die Melodie, der Ton und das Tempo von Nigar Hasib geändert. Die Teilnehmer sollen versuchen, diese Änderung schnell wahrzunehmen und mitzusingen. Deshalb sind hier die Wachsamkeit und die Aufmerksamkeit der Teilnehmer äußerst wichtig. Jede neue Melodie wird zwei bis drei Mal wiederholt, bevor Nigar Hasib zu einer anderen wechselt. Hier entwickelt sich ein Lied, das sich wiederholen lässt und welches die Teilnehmer in einem Kreis zusammen bringt. Nach einigen Wiederholungen lösen die Teilnehmer die Hände von den Knien, um jetzt, während sie singen, mit der offenen Hand in rhythmischer Bewegung auf den Boden zu schlagen, besser gesagt zu trommeln. Dies wird einige Male in/mit verschiedenen Rhythmen und Melodien wiederholt. Anfangs langsam und laut, dann leise und schneller, um wieder langsam zu werden und wieder lauter bzw. stärker. (Siehe Bild 2) Die Stimme soll hier stärker und intensiver sein als vorher. Nun folgt das Schlagen auf den Boden jedes mit jedem Vokal, zum Beispiel: MANALA, MONOLO usw. Dies eine Runde lang.

Die Hände sollen lebendig sein, nicht auf en Knien ruhend, der Oberkörper leicht nach vorn geneigt. Der Impuls der Handbewegung kommt nicht aus dem Handgelenk, sondern aus dem ganzen Arm bzw. aus den Schultern und fließt durch Arme und Hände bis in die Fingerspitzen. Das heißt, hier wird nicht nur mit der Hand auf Boden geschlagen, sondern der ganze Arm ist an der Aktion beteiligt. Die Augen bewegen sich frei, sollten aber besser auf den Boden gerichtet sein, damit die Energie nicht verstreut wird. Die Hände sind nicht eng beieinander aber auch nicht zu weit auseinander und geöffnet.



Bild 2
Mit letzten gesungenen A, O, U, E, I werden die Hände bis den Schultern hochgehoben, die Wirbelsäule ist aufrecht, die Schultern locker, die letzten Vokale werden mit einem langen Ton gesungen. (Siehe Bild 3)

 
Bild 3
Die Ellbogen sollen nicht an den Knien ankommen, sondern frei bleiben, der Oberkörper folgt locker den Armen rauf und runter, nicht steif, auch die Augen gehen mit.
In der ersten Runde werden die Arme nicht sehr hoch gehoben, in der zweiten aber ganz nach oben über den Kopf gestreckt, damit auch der ganze Oberkörper seine volle  Extension erreicht (siehe Bild 4).


Bild 4
Diese Bewegung hilft den Teilnehmern, die Wirbelsäule zu entspannen und beim natürlichen Atmen.
Nach dem letzten lang gesungenen I werden die Hände langsam wieder gesenkt. Hier wird leise und ruhig eine Melodie zu Manala gesungen und dazu leicht geklatscht (siehe Bild 5).

Das Klatschen soll zu Beruhigung der Stimme und des Körpers führen, um ruhiger Atmen zu können und es schafft eine feierliche und rituelle Atmosphäre.
Nun geht das Klatschen der Stimme und dem Körper voran und setzt eine neue Energiewelle im Kreis frei. Es wird nach rechts und links singend geklatscht, d.h. alle zusammen nach rechts und dann nach links (siehe Bild 6). Dabei ist es wichtig darauf zu achten, nicht nur die Arme nach rechts und links zu strecken, sondern der ganze Oberkörper und der Kopf sollen mitgehen, sowie die Augen. Das Tempo des Klatschens ist nicht monoton, sondern steigend. Es beginnt langsam und ruhig und wird dann schneller, aber nicht lauter.


Bild 5                     Bild 6
Die Übung wird mit einem verlängerten I beendet. Das Beenden der Übung ist kein plötzliches Unterbrechen der Stimme. Das I wird sehr lange gesungen, leise und ruhig. Allmählich wird dieses gesungene I zu einem Kreis. Die Stimme ist erst leise, wird dann stufenweise stärker, um wieder leiser zu werden. Es klingt etwa wie eine Sirene. Nigar Hasib beschreibt mit ihrer Handbewegung sogar einen Kreis, wenn das kreisende I gesungen wird. So sie zeigt den Teilnehmern, wie ein Ton kreisförmig gesungen werden soll. Ab und zu fügt man den Laut IIAII hinzu, dabei wird an der Kehlkopfstimme gearbeitet. Diese Übung verlangt Aufmerksamkeit, Konzentration, das Wahrnehmung von Tönen durch Ohr und Auge, und vor allem das Gespür für einander. Die gesamte Übung hat eine große Auswirkung auf die Arbeit des Lalish Theaterlabors, und spielt eine bedeutende Rolle bei der Vorbereitung der Performer auf die Performance, eben weil sie in einem Kreis durchgeführt wird und einen solchen bewirkt.

Grundsätzlich werden die meisten Schauspieler darauf vorbereitet, immer nur eine Seite ihres Körpers dem Zuschauer zu zeigen, nur in eine Richtung zu sprechen bzw. zu singen, also eindimensional zu sein. Daher ist es nicht einfach in einem kreisförmigen Raum wieder dreidimensional zu werden. In einem Kreis ist jeder Körperteil bzw. jede Körperseite genau so wichtig wie der oder die andere. Man ist von allen Seiten und in alle Richtungen sichtbar und die persönlichen Körperhaltungen und Bewegungen sind von allen Seiten wahrnehmbar. Allseitig soll der Körper im Stande sein, etwas auszudrücken, wirksam zu sein, aktiv und lebendig zu bleiben, für diejenigen Zuschauer, die den Performer von vorn anschauen, genauso wie für die, die den Performer von der Seite oder von Hinten betrachten. Das gleiche gilt für auch für die Stimme. Die Performer im Lalish Theaterlabor sollen ihre Stimme nicht nur nach vorne senden, sondern die Stimme soll gleichmäßig und ständig in alle vier Richtungen, nach oben und nach unten gesendet werden. Sie soll kreisförmig fließen und nicht geradlinig. Dieser Zustand verändert das Raumbewusstsein und die Raumwahrnehmung des Menschen überhaupt, der Performer und der Zuschauer.

Shamal Amin
2008